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Experten warnen vor zehntausenden Hitze-Toten in Deutschland – was jetzt zu tun ist

  • Im Video oben: Hammer-Hitze rollt über Deutschland - Wetterdienst rät, Verhalten anzupassen

Deutschland ist auf extreme Hitzeereignisse wie einen sogenannten „Hitzedom“ und gefährliche Temperaturen von mehr als 40 Grad bislang unzureichend vorbereitet. Zu diesem Schluss kommen Experten der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) in einer Analyse, die am Dienstag in der Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie veröffentlicht wurde. 

Hitzewellen drohen „längst nicht mehr nur im Süden“

„Wenn keine ausreichenden Vorbereitungen getroffen werden, können in extremen Hitzefällen zehntausende Todesfälle binnen weniger Tage die Folge sein – und die wären zu vermeiden“, sagt DGG-Präsident Professor Markus Gosch. „Während andere Länder bereits katastrophale Hitzewellen erlebt haben – und das sind längst nicht mehr nur die Länder im Süden Europas –, fehlen in Deutschland grundlegende Vorbereitungen für solche Extremereignisse“, sagt der federführende Autor Professor Clemens Becker, Leiter der „Unit Digitale Geriatrie“ am Geriatrischen Zentrum des Universitätsklinikums Heidelberg.

Bereits im Sommer 2023 hatte Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) insgesamt 7600 Hitzetote zu verzeichnen. Der dringend notwendige Weckruf sei jedoch ausgeblieben, schreiben die Experten. Lediglich 25 von 294 Landkreisen in Deutschland hätten bereits einen Hitzeaktionsplan für ihre Bevölkerung erarbeitet.

Die „Hitzedom“-Gefahr

Besonders warnen die Experten vor den Gefahren eines sogenannten „Hitzedoms“. Dabei handelt es sich um ein wetterbedingtes Phänomen, bei dem sich ein stabiles Hochdruckgebiet über einer Region festsetzt. Die Luft unter dem Hochdruck wird nach unten gedrückt, erwärmt sich und trocknet aus.

Gleichzeitig wirkt das Hoch wie ein Deckel, der verhindert, dass die heiße Luft entweichen kann. Hitze und Trockenheit stauen sich dadurch über Tage oder sogar Wochen, extreme Temperaturen und Regenarmut sind die Folge. Studien zufolge macht der Klimawandel das Auftreten von Hitzedomen wesentlich wahrscheinlicher.

Ein solcher „Hitzedom“ hielt etwa im Juni 2021 den pazifischen Nordwesten der USA sowie die Westküste Kanadas im Würgegriff. In der kanadischen Provinz British Columbia wurden Temperaturen von bis zu 49 Grad registriert, Schätzungen zufolge starben in beiden Ländern zwischen 1000 und 1400 Menschen. Erst letztes Jahr ereignete sich im saudischen Pilgerort Mekka eine Hitzewelle mit Temperaturen von mehr als 50 Grad, mindestens 1000 Menschen starben.

Aus Ereignissen wie diesem seien in Deutschland jedoch keine Rückschlüsse gezogen worden, bemängeln die Experten. „Ein Hitzedom ohne Vorbereitung kann zu mehreren zehntausend Todesfällen in wenigen Tagen führen und muss zumindest in Regionen wie dem Rheintal, der Kölner Bucht, den Metropolregionen wie München, Stuttgart, Dresden, Berlin, Frankfurt und dem Ruhrgebiet von Krisenstäben vorbereitet werden“, heißt es in der Analyse.

Schlaganfall, Herzinfarkt, Kreislaufkollaps

Gefährdet seien vor allem die verwundbarsten Mitglieder der Gesellschaft, schreiben die Mediziner: Alte, Schwangere, Kinder, chronisch Kranke. Auch Arbeiter auf dem Bau und in der Landwirtschaft sowie Obdachlose seien besonders betroffen. Starke Hitze kann zum Kollabieren des Kreislaufs und zu Dehydrierung führen, bestehende Risiken wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle treten verstärkt auf. 

Im Gegensatz zu Überschwemmungen oder Stürmen würden Hitzewellen aber rechtlich nicht als Katastrophe betrachtet, heißt es in der Analyse. Viele Vorkehrungen seien nur freiwillig und nicht verpflichtend. Es fehle an klaren Zuständigkeiten und konkreten Plänen, etwa für Evakuierungen, Beschäftigungsverbote im Freien oder Urlaubssperren im Gesundheitswesen. Zudem sei die Kommunikation mit der Bevölkerung oft nicht ausreichend geplant oder koordiniert.

Krisenstäbe und Evakuierungen

Noch könne man aber gegensteuern, schreiben die Experten. In ihrer Analyse erheben die Mediziner unter anderem folgende Forderungen:

  • Die Hitzeaktionspläne der Kommunen müssten weiterentwickelt werden. Viele Landkreisen hätten noch gar keinen Plan, die bestehenden Pläne vernachlässigten meist die Gefahr der Hitzedome.
  • Hitzewellen müssten zum expliziten Krisenszenario erklärt werden, Krisenstäbe sollen für den Ernstfall eingerichtet werden.
  • In den Ballungszentren müssten zentrale Notaufnahmen auf die Versorgung von vielen Patienten mit Hitzeschlag vorbereitet sein.
  • Die Regierungspräsidien müssten Verordnungen vorbereiten, die Zwangsmaßnahmen wie Beschäftigungsverbote, Urlaubssperren und Evakuierungen beinhalten.
  • Gekühlte Räume in Stadtteilen sollten gekennzeichnet und zugänglich gemacht werden.
  • In Zusammenarbeit mit den Massenmedien und Social-Media-Kanälen müssten Kommunikationsstrategien vorgeplant werden.
  • Mit Hilfe von Krankenkassen und der Sozialen Pflegeversicherung sollen Risikopersonen erfasst werden. 

 „Die meisten Regionen in Deutschland sind auf Extremhitze nicht vorbereitet“, sagt Becker. „Wären sie es, könnten sie in Zukunft zehntausende Todesfälle verhindern.“

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