
Rätselhafte Vergesslichkeit im Alter: So erkennen Sie die Pseudodemenz
Was ist die Pseudodemenz?
Bei alten Menschen ist die Hauptursache für eine Pseudodemenz in den meisten Fällen eine schwere depressive Erkrankung. Die Betroffenen klagen über eine progrediente Vergesslichkeit, die den Alltag, die Lebensqualität und die Teilhabe am Leben erheblich beeinträchtigen. Die zugrunde liegende Störung ist meist eine Depression.
Der Begriff „Pseudodemenz“ wurde bereits in den 1950er Jahren verwendet. Aber erst Kilohs Arbeit von 1961 gab den Ärzten den Hinweis, sich mit potenziell reversiblen, kognitiven Beeinträchtigungen auseinander zu setzen. Diese könnten auf psychiatrische Störungen (z.B. Depressionen, Schizophrenie und Konversionsstörungen) zurückzuführen sein. Kilohs Publikation erschien in einer Zeit, als dementielle Erkrankungen als irreversibel galten. Daher ist die Veröffentlichung umso bedeutender.
Im Umkehrschluss heißt dies nicht, dass kognitive Beeinträchtigungen, die im Rahmen einer depressiven Erkrankung auftreten, komplett rückläufig seien. Nicht selten kündigen sie das Auftreten einer dementiellen Erkrankung an. Dennoch ist der Begriff „Pseudodemenz“ als Ausschlussdiagnose hilfreich. Hier bestehen Therapieoptionen, die häufig zu einer kompletten Rückläufigkeit der Vergesslichkeit führen können. Zudem muss bedacht werden, dass auch depressive Erkrankungen als Folge dementieller Erkrankungen gut behandelt werden können.
Die Pseudodemenz erkennen
Die Diagnose „Pseudodemenz“ kann vor falschen Behandlungen schützen. Die Symptome einer Pseudodemenz kommen denen einer echten dementiellen Erkrankungen sehr nahe und können diese nachahmen. Diese Tatsache birgt verschiedene Gefahren. Zum einen können falsche Medikamente zur Anwendung kommen. Andererseits besteht die Gefahr, dass gar nicht behandelt wird, weil die Demenz vom Alzheimer-Typ bis dato nicht heilbar ist. Ältere Menschen, die an Depressionen – mit der Symptomatik einer ausgeprägten Vergesslichkeit – leiden, könnten folglich als dement abgestempelt werden. Die Pseudodemenz ist eine Art Mimikry der Demenz. Jedoch ist bei der Pseudodemenz das Verhalten der Betroffenen selten signifikant gestört.
Eine Verbesserung bzw. gar komplette Rückläufigkeit der Vergesslichkeit bei der Pseudodemenz ist möglich. Insofern ist die Diagnose sehr wohl hilfreich.
Symptome und Ursachen
Durchaus typisch für die Pseudodemenz sind ein Rückzug und Antriebslosigkeit, das Ablehnen von Essen und Trinken, Wortfindungsstörungen und Orientierungslosigkeit. Affektive (emotionale) Symptome sind eher seltener oder nur unterschwellig vorhanden. Das birgt die Gefahr, dass diese Symptome in Kombination mit dem Alter voreilig zur der Diagnose Demenz verleiten. Dabei ist die Diagnose Demenz selbst eine Ausschlussdiagnose. Das bedeutet, dass hier vorab andere Ursachen ausgeschlossen werden müssen.
Auch im Rahmen einer „Pseudodemenz“ kann eine delirante Symptomatik – also ein akuter Verwirrtheitszustand – auftreten. Eine ausgeprägte kognitive Beeinträchtigung oder die Einnahme von Medikamenten, die bei Verdacht auf Demenz gegeben werden, können Ursachen sein. Zudem kann auch Flüssigkeitsmangel ein Grund für entsprechende Symptome im Rahmen dieser Erkrankung sein. Bewusstseinsstörungen treten im Rahmen einer Pseudodemenz sehr selten auf.
Dennoch kann die Pseudodemenz eine Alzheimer-Demenz stark nachahmen mit allen für die Demenz typischen Symptomen, wie:
- Störung des Gedächtnisses
- Störung des Denkens
- Störung der Orientierung
- Störung der Auffassung
- Störung des Rechnens und der Lernfähigkeit
- Störung der Sprache und des Urteilsvermögens
- Veränderung der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens und der Motivation
Diese Symptome können bei der Alzheimer-Krankheit, bei der vaskulären Demenz Störungen, aber auch bei der Pseudodemenz auftreten. Auch depressive Symptome finden sich bei den Betroffenen, wie unter anderem:
- Angst
- Unwohlsein
- Psychomotorische Unruhe
- Schlafstörungen
- Lustlosigkeit
- Appetitlosigkeit
- Rückzugstendenzen
- Innere Leere
- Hoffnungslosigkeit
Warum die Pseudodemenz bei älteren Menschen häufiger auftritt als bei jüngeren Menschen ist unklar. Eine Ursache kann in der zerebralen Strukturveränderung liegen, die auf den Alterungsprozess zurückzuführen ist. Bei der Pseudodemenz handelt es sich um demenzähnliche Erscheinungsformen depressiver Erkrankungen insbesondere im Alter. Die Depression selbst kann daher übersehen werden. Dabei ist ja gerade die depressive Erkrankung, die einer Pseudodemenz zugrunde liegt, die Komponente, die gut behandelbar ist.
Demenz oder Pseudodemenz? Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Bei allen Erkrankungen spielt trotz der modernen Medizin die Anamnese weiterhin die entscheidende Rolle. Denn nur durch eine ausführliche Anamnese kann der Verdacht auf eine Pseudodemenz aufkommen. Der diagnostische Ausschluss anderer Ursachen mittels laborchemischer Untersuchungen und Bildgebung ist obligatorisch.
Die Anamnese ermöglicht es den Behandelnden mehr Informationen zu erhalten. Insbesondere darüber, wann die Symptome auftraten und wie schnell diese progredient waren. Zudem kann in Erfahrung gebracht werden, ob die oder der Betroffene davor unter einer Depression litt oder nicht. Bei Vergesslichkeit sollte auch nach einer depressiven Erkrankung gefragt und auch getestet werden.
Auch im Hinblick auf Medikation und anderen Erkrankungen ist die Anamnese entscheidend, zum Beispiel um festzustellen, ob es ähnliche Konstellationen zuvor in der Familie gegeben hat. Zudem ist es nicht untypisch für Patienten mit Pseudodemenz, dass sie sich explizit über die Vergesslichkeit beklagen und diese in den Vordergrund stellen. Während demente Patienten versuchen die Vergesslichkeit zu überspielen oder diese bereits vergessen haben. Patienten mit Pseudodemenz können sehr genau über ihre Erkrankung berichten. Sie wissen, wann diese begann. Gleichwohl sind sie ratlos, verzweifelt und geben bei Testungen schnell auf oder geben sich weniger Mühe, die ihnen gestellten Aufgaben zu lösen. Während demente Patienten sich bemühen, die Aufgaben zu lösen, um unter anderem auch nicht aufzufallen.
Daher ist eine eingehende Anamnese von entscheidender Bedeutung. Nicht selten kann man einen direkten Zusammenhang zwischen dem Beginn der Vergesslichkeit und vergangenen Verlusten, Traumata etc. feststellen. Liegen diese Symptome vor und liegt diesen Ausfällen eine depressive Erkrankung zugrunde, dann findet man die Pseudodemenz im International Classification of Diseases (ICD) unter F03 „Nicht näher bezeichnete Demenz“ wieder.
Die Therapie
Zuerst hat eine Aufklärung der oder des Betroffenen und der Angehörigen über die Erkrankung zu erfolgen. Sowie anschließend eine Psychoedukation, um die Bereitschaft zu erhöhen und den Betroffenen die Angst zu nehmen, dass sie womöglich an einer Demenz erkrankt seien. Danach kann medikamentös antidepressiv behandelt werden. Ergänzend bzw. parallel sollte eine Psychotherapie erfolgen. Zudem sind sportliche Aktivitäten wie Laufen, Schwimmen oder Nordic Walking sehr effektiv. Hinzu kommen eine gesunde Ernährung und Geselligkeit. Ebenfalls hilfreich sind familiäre Unterstützung und Motivation von außen, um den Antrieb der oder des Betroffenen initial zu steigern. Die Prognose bei einer Pseudodemenz ist gut, daher sollte eine Therapie rasch erfolgen.