
Mysteriöser Infekt trifft Kinder in Frankreich, Metzgereien geschlossen - was dahintersteckt
Sieben Kinder sind in Nordfrankreich binnen weniger Tage mit schweren Durchfallerkrankungen auf die Intensivstation der Klinik in Saint-Quentin (nahe Belgien) gekommen. Bei vier von ihnen trat eine seltene Form von akutem Nierenversagen auf, an dem ein zwölfjähriges Kind inzwischen gestorben ist, teilte die Präfektur mit.
Die Kinder im Alter von einem bis zwölf Jahren wurden zwischen dem 13. und 18. Juni in die Klinik eingeliefert und stammen aus der 53.000-Einwohnerstadt Saint-Quentin oder der Umgebung.
Untersuchungen hätten ergeben, dass die Mehrzahl der Kinder Fleisch aus zwei Metzgereien in Saint-Quentin gegessen habe, teilte die Präfektur mit. Die Behörden riefen die Bevölkerung auf, in den beiden Metzgereien gekaufte Fleischwaren nicht zu verzehren, bis Laboruntersuchungen die Ursache der Erkrankungen nicht zweifelsfrei belegt hätten.
Es liefen Untersuchungen zur Herkunft des Fleisches und zur Art der bakteriellen Verunreinigung. Die vorsorgliche Schließung der Metzgereien hänge auch damit zusammen, dass die Verunreinigung ebenfalls die Räumlichkeiten und Gerätschaften betreffen könne.
Seltene Krankheit tritt meist nach Verzehr von verseuchten Lebensmitteln auf
Zuvor hatten fünf der Kinder das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) entwickelt. Dabei handelt es sich um eine seltene, schwere Blut- und Nierenerkrankung, die insbesondere bei Kindern, manchmal aber auch bei Erwachsenen auftritt.
Im Zuge der Krankheit kommt es zu einer Gefäßwandschädigung und nachfolgend zu einer Blutarmut sowie Auflösung der roten Blutkörperchen. "Außerdem versagt das Gerinnungssystem infolge eines Mangels an Blutplättchen", sagt Epidemiologe Timo Ulrichs auf Anfrage von FOCUS online.
In der Folge bilden sich viele kleine Blutgerinnsel im Körper, die die Blutversorgung lebenswichtiger Organe wie Gehirn, Herz und Nieren blockieren und zu Nierenversagen führen können.
Infektion mit EHEC "sehr wahrscheinlich"
Epidemiologe Ulrichs hatte schon am Freitagvormittag erklärt, dass es "sehr wahrscheinlich" sei, dass bei den Kindern eine Infektion mit "enterohämorrhagischen Escherichia coli-Bakterien (EHEC), die über kontaminierte Nahrung aufgenommen wurden" vorliegt und Darmblutungen verursacht hat.
"EHEC können auf allen fäkal kontaminierten Lebensmitteln vorkommen", sagt der Professor für Mikrobiologie. "Deshalb sind die Hygienestandards im Gastrobereich so wichtig."
HUS als Krankheit sei "sehr" gefährlich, sagt der Experte. "Das zeigt ja auch schon der eine Todesfall. In Deutschland kam es 2011 zu einem Ausbruch, auch hier konnte eine kontaminierte Lebensmittelquelle identifiziert werden."
Den besten Schutz vor HUS liefere derweil die Einhaltung von Hygienestandards. "Das gilt sowohl für die Essenszubereitung zuhause als auch auswärts, also in Restaurants und Kantinen", sagt der Mikrobiologe. "In Frankreich muss jetzt schnell die Quelle gefunden werden, damit nicht noch weitere Fälle auftreten."
Symptome des hämolytisch-urämischen Syndroms
Kennzeichnend für das HUS ist die plötzliche Entwicklung der Symptome. Zu den ersten Beschwerden zählen:
- Erbrechen
- Durchfall (häufig blutig)
Aufgrund der Blutgerinnsel, die sich in den Nieren bilden, kommt es zu schweren Nierenschäden, die zur Niereninsuffizienz fortschreiten können. Neurologische Beschwerden sind hingegen selten.
Festgestellt wird das HUS meist durch Blutuntersuchungen sowie Urintests zur Messung der Nierenfunktion. Etwa die Hälfte der Betroffenen benötigt eine Nierendialyse, um die Abfallprodukte aus dem Blut zu entfernen. In den meisten Fällen gesunden die Nieren wieder, einige Betroffene tragen jedoch permanente Nierenschäden davon.
Jährlich werden in Frankreich nur 100 bis 165 Erkrankungen von Kindern mit dem HU-Syndrom dokumentiert.
Behörden fordern Kinder auf, keine Lebensmittel aus Rohmilch zu essen
Die Behörden in Nordfrankreich riefen Eltern auf, die Rettungskräfte zu alarmieren, wenn sie bei ihren Kindern schwere Durchfallerkrankungen feststellen. Diese seien ansteckend, weshalb Hygiene wichtig sei.
Außerdem sollten kleine Kinder keine Lebensmittel aus Rohmilch verzehren oder Wasser trinken, das nicht aus einer Flasche oder der Trinkwasserleitung stammt. Auch das Verschlucken von Wasser beim Schwimmen in einem Fluss oder Teich könne ungesund sein.